Umfragen sehen die Linksfront Podemos bei den Neuwahlen im Juni an zweiter Stelle. Begonnen hat die Partei als Protestbewegung vor fünf Jahren. Mittlerweile stellt sie Bürgermeisterinnen in den beiden größten Städten.
Es waren Zehntausende, die dieser Tage in Spanien den fünften Jahrestag der Protestbewegung der Indignados (Empörten) feierten. Was als Massenprotest gegen Korruption, Sparpolitik, Armut, soziale Ungerechtigkeit und Jobkrise begann – und die weltweite Occupy-Bewegung inspirierte –, wurde zur Protestpartei Podemos. Und nun könnte das Linksbündnis zweitstärkste Partei des Landes werden.
Für den 26. Juni hat König Felipe Neuwahlen ausgerufen, weil weder der provisorische konservative Regierungschef, Mariano Rajoy, noch der sozialistische Oppositionsführer, Pedro Sánchez, es geschafft haben, eine mehrheitsfähige Regierung auf die Beine zu stellen. Den Wählerbefragungen zufolge könnte diese kostspielige Wahlwiederholung, die laut Soziologen Frustration und Wut der Bürger weiter anheizen dürfte, der linken Protestbewegung Flügel verleihen.
„Sí, se puede – ja, wir können es schaffen", skandierten nun wieder Tausende überwiegend junge Demonstranten, die zu Trommelklängen durch Madrids Innenstadt zum zentralen Platz Puerta del Sol zogen. Der Schlachtruf, mit dem die Empörten schon vor fünf Jahren das politische Establishment aufgeschreckt haben, hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Und er ist zum Signal für den Aufstand der jungen Generation im Königreich geworden, die sich bei 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit um ihre Zukunft betrogen sieht und deswegen den spanischen Traditionsparteien die rote Karte zeigt: „Ihr repräsentiert uns nicht", riefen damals wie heute die Demonstranten.
Vor zwei Jahren erst entstand Podemos (Wir können) aus den Protesten, mittlerweile regieren in den beiden größten Städten, Madrid und Barcelona, Bürgermeisterinnen, die der Protestbewegung entstammen. Bei der letzten Parlamentswahl im Dezember 2015 bekam die Empörten-Partei mit ihrer rebellischen Galionsfigur, Pablo Iglesias, aus dem Stand sensationelle 21 Prozent.
In die Neuwahlen im Juni geht die Protestfront gestärkt nun mit einem neuen linken Wahlbündnis in das Rennen. Podemos schloss sich mit der kleineren Partei Izquierda Unida (Vereinigte Linke) zusammen, die sich übrigens beide der in Griechenland regierenden linken Syriza verwandt fühlen. Der Bündnisname der neuen Linksfront nimmt einen Schlachtruf auf, der auch bei vielen Straßenprotesten zu hören war: Unidos Podemos („Gemeinsam können wir es schaffen"). Die Allianz wurde mit einer symbolträchtigen Umarmung der beiden Bündnis-Spitzenkandidaten, Pablo Iglesias und Alberto Garzón, auf der Puerta del Sol besiegelt – also auf jenem Madrider Platz, auf dem Spaniens Protestbewegung ihren Anfang nahm.
Nach der neusten Umfrage des staatlichen Instituts CIS könnte Unidos Podemos auf 23,1 Prozent kommen, die Sozialisten überrunden und damit zur führenden Kraft links der Mitte werden. Das würde zweifellos die Rolle der Linken im spanischen Machtpoker weiter stärken. Konservative wie Sozialisten müssen sich derweil laut CIS auf weitere Verluste einstellen und werden bei 27,4 und 21,6 Prozent gesehen. Die liberale Ciudadanos, die vor allem im konservativen Lager Stimmen fischt, könnte sich der Umfrage zufolge auf 15,6 Prozent verbessern.