Weniger als zwei Wochen vor der Neuwahl in Spanien hat eine Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten keine Klarheit über die künftige Regierungsbildung gebracht. Über 10,4 Millionen Zuschauer haben am Montagabend den zweieinhalbstündigen Schlagabtausch der vier Spitzenkandidaten verfolgt. Üblich waren bisher TV-Duelle mit maximal zwei Gegenspielern. Neben dem noch amtierenden konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (PP) und dem Spitzenkandidaten der sozialistischen PSOE, Pedro Sánchez, nahmen der Vorsitzende der linksgerichteten Podemos, Pablo Iglesias, und sowie Albert Rivera, Parteichef der rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) teil. Die beiden letzteren Parteien sitzen seit der Wahl vom 20. Dezember erstmals im spanischen Parlament.
Bei der einzigen Großdebatte vor dem Urnengang am 26. Juni wurden vor allem die vielen Korruptionsaffären bei Rajoys Partido Popular sowie die Spar- und Arbeitsmarktpolitik des 61-jährigen Regierungschefs angeprangert. So habe die Sparpolitik der PP Investitionen verhindert, weite Teile der Bevölkerung in die Armut getrieben und den Sozialstaat unterhöhlt, von der weiterhin grassierenden Korruption ganz abgesehen, so die Kontrahenten unisono. Rajoy wies viele der Vorwürfe als «Lügen» zurück.
Alle vier Teilnehmer waren sich einig, dass es nach der Neuwahl zur Bildung einer Regierung kommen und auf keinen Fall ein dritter Urnengang binnen weniger Monate nötig sein werde.
Nach Einschätzungen der großen spanischen Medien wird das Ergebnis der bevorstehenden Wahl allerdings ähnlich ausfallen wie dasjenige vom Dezember. Wie dann nach der Wahl vom 26. Juni eine Koalition zustande kommen soll, bleibt weiterhin unklar. Voraussetzung dafür wäre, dass beim politischen Führungspersonal und in den Parteien eine Bereitschaft zu ernsthaften Verhandlungen und tragfähigen Kompromissen entsteht. Bisher zeigten sich die Kontrahenten jedoch weiterhin unfähig, sich auf Eckpunkte eines gemeinsamen politischen Programms zu einigen.
Prognosen sehen die Partido Popular von Mariano Rajoy mit etwa 30 Prozent weiterhin als stärkste Einzelkraft. Die Wahlkoalition Unidos Podemos (ein Wahlbündnis von Podemos und Izquierda Unida (IU)), geführt von Pablo Iglesias, soll die PSOE um Pedro Sánchez jedoch als zweitstärkste Kraft ablösen. Albert Rivera von Ciudadanos bleibt weiterhin schwächster Kandidat.