Wenn es um geleistete Arbeitsstunden geht, muss sich Spanien nicht hinter nordeuropäischen Ländern verstecken: 1666 Stunden arbeiten die Iberer laut OECD pro Jahr im Durchschnitt. Rund 240 Stunden mehr als Deutsche, und auch fast 100 Stunden mehr als Österreicher usw . Blickt man dann jedoch auf das Produktivitätsniveau, hinken die Spanier deutlich hinterher: Statt wie in Deutschland fast 60 US-Dollar oder in Österreich knapp 55 Dollar, erwirtschaften sie lediglich 50 Dollar pro Arbeitsstunde.
Als Grund dafür wird von Arbeitsmedizinern häufig der zerklüftete Arbeitstag in Spanien genannt. So kommt man in Barcelona oder Madrid zwar wie im restlichen Europa in der Früh zur Arbeit. Statt einer kurzen Mittagspause gibt es am frühen Nachmittag jedoch eine mehrstündige Pause (Siesta). Dies führt dazu, dass die meisten Spanier erst gegen 21 Uhr nach Hause kommen und auch erst dann zu Abend essen. Ins Bett gegangen wird dann wiederum erst nach Mitternacht – was dazu führt, dass Spanier im Schnitt auch rund eine Stunde pro Tag weniger schlafen als andere europäische Völker.
Hinzu kommt, dass es für die Unternehmen bei internationalen Geschäftsbeziehungen auch problematisch ist, dass am Nachmittag niemand im Büro anzutreffen ist, wenn Geschäftspartner aus Deutschland oder Frankreich anrufen.
Die Vereinigung zur Rationalisierung der spanischen Arbeitszeiten, in der sich Unternehmer und Wissenschaftler engagieren, plädiert daher schon seit gut zehn Jahren für einen anderen – mehr den übrigen europäischen Ländern entsprechenden – Tagesablauf. Bisher war das jedoch vergeblich. Jegliche entsprechende Initiative wurde im spanischen Parlament abgeblockt.
Arbeitszeit als Wahlkampfschlager
Doch nun haben die Argumente bei der Politik Gehör gefunden. Grund dafür ist nicht zuletzt das politische Patt, das seit den Wahlen im Dezember anhält und im Juni wahrscheinlich zu Neuwahlen führen wird. Die – bisher erfolglos – mit der Regierungsbildung beauftragten Sozialdemokraten verabschiedeten im beginnenden Wahlkampf bereits im Februar mit der liberalen Partei Ciudadanos einen „Pakt der 200 Reformen“. Darin enthalten: die Verkürzung der Arbeitszeiten und Abschaffung der Siesta.
Nun nahm auch der konservative Noch-Ministerpräsident, Mariano Rajoy, den Ball auf. Der Arbeitstag der Spanier solle künftig um 18 Uhr enden, meinte er am Wochenende. Statt der Siesta soll es eine europäische Mittagspause geben.
Außerdem solle Spanien in die Westeuropäische Zeitzone (Portugal, Großbritannien) wechseln, damit es am Abend früher finster werde.